Fernando PESSOA (1922): Ein Anarchistischer Bankier.
S.49 „Ich wollte wissen, welches die größte, die gewichtigste gesellschaftliche Fiktion wäre. An dieser wollte ich mich mehr als an irgendeiner anderen versuchen, wollte sie bezwingen und zur Wirkungslosigkeit verdammen. Die gewichtigste Fiktion in unserer Zeit ist nun einmal das Geld. Wie aber das Geld bezwingen oder – genauer gesagt – wie die Macht bzw. die Tyrannei des Geldes bezwingen? Indem ich mich von seinem Einfluß, seiner Macht befreien würde, seinen Einfluß also besiegen und es, jedenfalls auf meine Person bezogen, zur Wirkungslosigkeit verdammen würde. Auf meine Person bezogen, verstehen Sie?
Weil ich es war, der es bekämpfte; hätte ich es zur Wirkungslosigkeit im Hinblick auf alle anderen verdammt, hätte ich es nicht bezwungen, sondern schon vernichtet, denn ich hätte dann ja mit der Fiktion Geld überhaupt Schluß gemacht. Nun habe ich Ihnen aber schon nachgewiesen, daß eine gesellschaftliche Fiktion nur durch eine gesellschaftliche Revolution >vernichtet< werden könnte, in deren Verlauf diese Fiktion mitsamt den anderen in den Sog der einstürzenden bürgerlichen Gesellschaft geraten würde.
Wie sollte ich nun die Macht des Geldes besiegen? Die einfachste Methode wäre gewesen, mich aus seiner Einflusssphäre, das heißt aus der Zivilisation zurückzuziehen; ich hätte aufs Land gehen können, Wurzeln essen und Wasser aus den Quellen trinken, nackt herumlaufen, wie ein Tier leben können. Doch selbst wenn mir das keine Schwierigkeiten bereitet hätte, hätte ich damit keine gesellschaftlichje Fiktion bekämpft; ich hätte überhaupt nicht gekämpft, ich wäre geflohen. Natürlich: wer sich vor einer Schlacht drückt, kann in ihr nicht geschlagen werden. Doch moralisch ist er geschlagen, weil er nicht gekämpft hat. Ich musste also anders vorgehen,- was ich brauchte, war eine Kampf- und keine Fluchtmethode. Wie das Geld bekämpfen und es dabei noch bezwingen? Wie sich seinem Einfluß und seiner Tyrannei entziehen, ohne ihm aus dem Weg zu gehen? Die einzige Methode war – es zu erwerben, es in so großer Menge zu erwerben, dass sein Einfluß nicht mehr spürbar werden konnte; und je größer die erworbene Menge wäre, desto freier würde ich von seinem Einfluß. Als mir das mit der ganzen Kraft meiner anarchistischer Überzeugung und der Logik meines Scharfsinns vor Augen stand, trat ich, lieber Freund, in die jetzige Phase – in die Kommerz- und Bankphase meines Anarchismus ein.“