Warum „Conversationslexikon“ und was soll das eigentlich bedeuten?
Das Konversationslexikon ist der Versuch Wissen allgemeinverständlich, aber umfassend darzustellen, um es diskutier- und verhandelbar zu machen. Dieses lexikographische Nachschlagewerk entwickelte sich parallel zu den bürgerlichen Salons und war vornehmlich als Grundlage einer zu führenden Konversation gedacht. Die Verflüssigung und Popularisierung des Wissens war das Hauptanliegen. Im Konversationslexikon geht es weit weniger um eine enzyklopädische Wahrheit, als vielmehr um die Grundierung des Gespräches, um Bildung und Vermittlung zur gemeinschaftlichen Reflektion. Reagierten Hübners Conversationslexikon (1709) oder Löbels und Frankes Converstaionslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten (1769) auf den Umstand der mangelnden Verfügbarkeit von Informationen, reagiert Dr. C’s Conversationslexikon auf dessen Überfluss und nimmt eine Sortierung und Aufbereitung quer zu den Disziplinen und Sichtweisen vor. Der offensiv subjektive Umgang mit den Informationen versucht eine grundlegende Revision möglich zu machen und entfaltet sich erst in der Reflektion.
Wer ist eigentlich Dr.C.?
Dr. C. alias Hans Castorp alias Max Clement alias Chodzinski alias achod alias profac ist Künstler, Theoretiker und Autor zwischen Kunst, Ökonomie und Gesellschaft. Er studierte bildende Kunst, arbeitete im Management eines Handelskonzerns und in der Unternehmens-Beratung, dozierte an Kunsthochschulen und Wirtschaftsfakultäten und promovierte in Anthropogeographie zu Raum, Wirtschaft und Kunst.
Als Fachmann für Verkrampfung und verknüpfendes Wissen hat er sich in Theatern, Ausstellungen und Publikation der Bildung verschrieben. Chodzinski gilt als King of the Rahmenprogramm oder Mad Professor, weil es ihm immer wieder gelingt Inhalte mit einer waghalsigen Elastizität von einem historischen Boden aus in die zeitgenössische Relevanz zu überführen. Er arbeitet an unterschiedlichen Bühnenformaten, Hörstücken oder Ausstellungen zu Themen wie Wachstum, Gemeingüter, Wetten, Musik, Unsterblichkeit oder Fußball, die er als so etwas wie Bildung versteht. Dem Conversationslexikon liegt seine Art der Wiesenaneignung genau so zu Grunde – die dem Prinzip der Collage verpflichtet ist – wie seine Verzweiflung, sein Größenwahn und sein öffentliches Denken ohne Backup.
Was ist eigentlich die Idee hinter dem „Conversationslexikon“?
Dr. C.’s Conversationslexikon stellt sich Begriffen, die zu Allgemeinplätzen geworden sind: Aktie, Bürokratie, Geld, Kreativität, Macht, Effizienz, Steuern, Volkswirtschaft, Wetten…
Dr. C. nährt sich den Begriffen von vorn: Von der Etymologie bis zur Verwendung, von der Buchstäblichkeit zur Bedeutung. Einer muss sich dem aussetzen, da wir eigentlich nicht mehr wissen worüber wir reden oder reden ohne zu wissen, was wir damit eigentlich sagen – das geht so nicht!
Und deshalb: Die Begriffe aus ihren emotionalen Kerkern befreien und den Diskussionen ohne Unterleib die Bodenhaftung zurückgeben! Oder wussten Sie, dass es Gesellschaften gibt in denen das Glücksspiel und die Wette ein akzeptiertes Mittel zur Umverteilung von Gütern war? Oder wie aus der Wette die Spekulation wurde? Oder was eigentlich Schulden sind? Oder woher eigentlich die Idee der Steuer stammt?
Die Komplexität der aktuellen Probleme zwingt dazu dumme und grundsätzliche Fragen zu stellen – ohne Expertendiskurse und Positionierungseitelkeit.
Was wird denn hier unter „Bildung“ verstanden?
Nahezu allen Bildungstheorien ist gemein, dass sie das reflektierte Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt als ein Zeichen der Bildung verstehen. Das ist recht allgemein, aber dennoch sehr ernst zu nehmen. Dr. C. ist weit weniger theorieaffin als es manchmal den Anschein hat und das schützt davor in abgegrenzten ideologisch akademischen Zusammenhängen zu verharren. Dr. C. reflektiert sein Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt. Meistens ist die Reihenfolge eine andere, aber letztlich wird immer wieder der Prozess des Reflektierens öffentlich gemacht, zur Schau gestellt. In diesem zur Schaustellen gibt es kein Spielen, keinen Charakter und keine Rolle die eingenommen wird: Dr. C. denkt laut und begreift die Reflektion dessen als Bildung.
Gibt es einen grundsätzlichen Hintergrund zu diesem Vorhaben?
In den Gesellschaftswissenschaften blühen die Expertendiskurse! In den Talkshows wirft man sich Begriffe an die Köpfe! Man wird das Gefühl nicht los, als ginge es nur noch um emotionale Platzhalter! Eigentlich sind wir in einer Situation in der niemand irgendetwas sicher weiß – die Behauptung ist das Medium der Meinungsbildung geworden. Das Conversationslexikon bekennt sich zum Unwissen und schaut deshalb überall mal hin: Wo kommen die Begriffe her? Wie sind sie in die Welt gekommen? Was haben sie zu welcher Zeit für wen bedeutet? Und was macht man damit?
Die Naturwissenschaftler haben es leichter: Das Erklären von Phänomen und Gesetzmäßigkeiten ist and der Tagesordnung und vermittelt scheinbar unumstrittenes. Volksbildung als Vermittlung von Sicherheit für die Verunsicherten: Ranga Yogeshwar, Professor Harald Lesch, Dr. Eckart von Hirschhausen.
Dem gegenüber steht der Diskurs der Talkrunden, der Selbsterfahrungstripps, der investigativen Dialektik oder der Experten-Miniaturen: Herr Eppert sucht…, Alexander Kluge problematisiert, Gert Scobel diskutiert, Sarah Kuttner menschelt.
Die grundlegende Alphabetisierung der Zuschauer, die im komplexen Gewirr der Welt sich damit zufrieden geben ein Gefühl anstelle einer Meinung zu bilden, bleibt aus. Der Notwendigkeit von Meinung, Haltung und Handlung steht die mangelnde Zeit für das Lexikalische gegenüber. Natürlich sind nahezu alle Informationen verfügbar, aber in einer Kultur des Suchens funktioniert eine emanzipative Gesellschaft eben auch und vor allem durch das Finden. Jenseits der Unsicherheit der Experten, die in Behauptungen mündet, braucht es deshalb ein Format, dass sich zum Erklären und zum Unwissen bekennt und dessen Ziel es ist Handlungsfähigkeit oder zumindest Reflektion herzustellen oder wie die Blow Monkeys einmal so schön sangen: Educate and Activate!
Als David Graebe sein Buch Schulden – die ersten 5000 Jahre veröffentlichte, gab es kurze Momente in denen man sich bemühte einen Blick auf den Begriff zu werfen, ohne dabei gleich über Lösungen nachzudenken. Der Moment war kurz bis die Moderatorinnen anfingen nach Lösungen bei Experten zu forschen und zur Strafe die üblichen Behauptungen erhielten.
Jenseits der Managementlogik, die Themen in 60 – 300 Sekunden in ihren Fakten vorstellt, um dann 60 min zu diskutieren, ist das Conversationslexikon der Versuch sorgsam die Grundlagen zu klären, ohne dabei Lösungen anzubieten. Es geht um das Verknüpfen von unterschiedlichsten Informationen zum Zwecke eines Blickes auf Begriffe, die uns vor lauter Vertrautheit fremd geworden sind.