Museum des Geldes

Jürgen HARTEN/Horst KURNITZKY ((Hrsg.)1978): Museum des Geldes.

Jürgen Harten: Zur Ausstellung (Seite 5-6)

S.5 „Geld und Kunst sind historische Phänomene, die in all ihren Formen noch heute existieren. In beiden kommt das dem Menschen eigene Verhältnis zur Natur auf verschiedene Weise zur Darstellung.“

S.5 „Wie bei Dürrenmatts >Besuch der alten Dame< bietet die Veränderung unserer Umwelt ohnehin eine indirekte Geldausstellung in Permanenz. Jeder, der seinen Wohlstand zur Schau stellt, beteiligt sich daran. Diese alltägliche, in Waren verkleidete Geldparade durch eine kulturhistorische oder speziell numismatische Aufbereitung des Geldes zu dekorieren, ist nicht die Absicht der Veranstalter.“

Horst Kurnitzky: Nur ein Tanz (Seite 17-27)

S.17 „Aber Kunstwerke leisten noch weit mehr: als Werk, also als Opfer und Verkörperung der gesellschaftlichen Opferverhältnisse sind sie zugleich Inbegriff der Hoffnung auf eine dereinst vom Opfer befreite Gesellschaft. Denn sie sind, ebenso wie das Geld, mit archaischen Selbstdarstellungsritualen historisch und immer noch substanziell verbunden, in denen die Gesellschaft in Opferkulten ihren Zusammenhalt und zugleich die Grundlage ihrer Reproduktionsverhältnisse artikuliert.“

S.20 „Der Tanz, als mimischer Tanz die Ordnung der Vereinigung repräsentierend, war also, soweit die Erinnerung reicht, dabei und – wie das Geld – Ausdruck eines gesellschaftlichen Zusammenhalt garantierenden Opferrituals. Der Tanz stellte quasi als ambivalente Veranstaltung dar, unter welchen Verhältnissen allein sich die Gesellschaft reproduziert.“

Hans Kurnitzky: Das liebe Geld – die wahre Liebe (S.30-45)

S.30 „Die Erfindung der Münze wird ja bekanntlich den Lydern zugeschrieben, ihre Hauptstadt Sardes ist – wie Lydien überhaupt – mit phantastischen Geschichten von Reichtum und Überfluß verbunden: mit dem sprichwörtlichen Kroisos und der Sage von König Midas, dem alles, was er berührte zu Gold gerann.“ S.30 „ARISTOTELES: >Alles, was ausgetauscht werden soll, muß vergleichbar sein. Zu diesem Zweck dient das Geld, das gewissermaßen einen Mittelwert bildet. Denn es gibt einen Maßstab für alles ab. Ohne diese Proportionalität gäbe es weder Austausch noch Gemeinschaft. Und diese können nur bestehen, wenn in gewissem Sinne Gleichheit herbeigeführt wird. Es muß also, wie gesagt, eine Einheit geben, an der man alles messen kann. Dies ist in Wahrheit das Bedürfnis, das alles Zusammenhält. Denn wenn die Menschen keine Bedürfnisse hätten und nicht in der gleichen Weise, so würde es entweder keinen Austausch geben oder nur einen ganz ungleichen. Ausdrucksmittel des Bedürfnisses ist nun gewissermaßen das Geld geworden, und zwar nach Übereinkunft. Deshalb führt es auch die Bezeichnung Geld, weil sein Wert nicht aus der Natur, sondern auf der Geltung beruht und es bei uns steht, ihn zu ändern oder für ungültig zu erklären.<“

S.31 „ADAM SMITH: Jeder lebt also vom Austausch oder wird in gewissem Maße zum Kaufmann, und die Gesellschaft entwickelt sich im eigentlichen Sinne des Wortes zu einer Handel-treibenden Gesellschaft. Wahrscheinlich sind viele verschiedenartige Waren nacheinander zu diesem Zweck auserkoren und verwendet worden. In der Urgesellschaft soll Vieh das übliche Mittel zur Durchführung des Handels gewesen sein. Obgleich es ein äußerst Unvollkommenes gewesen sein muss, finden wir doch, dass in alten Zeiten Dinge häufig nach der im Austausch dafür hingegebenen Stückzahl an Vieh bewertet worden sind. Nach Homer kostete die Rüstung des Diomedes nur neun, aber die des Glaucus hundert Ochsen. In Abessinien soll das übliche Handels- und Tauschmittel Salz gewesen sein, an einigen Küstenstrichen von Indien eine Muschelart, auf Neufundland Stockfisch, in Virgina Tabak, in einigen unserer westindischen Kolonien Zucker oder gegerbtes Leder.“

S.31 „IMMANUEL KANT: Geld ist eine Sache, deren Gebrauch nur dadurch möglich ist, dass man sie veräußert. Dies ist also nach [Gottfried] Achenwall eine gute Namenerklärung desselben, nämlich hinreichend zur Unterscheidung dieser Art Gegenstände der Willkür von allen anderen; aber sie gibt uns keinen Aufschluss über die Möglichkeit einer solchen Sache. Doch sieht man soviel daraus, dass erstlich diese Veräußerung im Verkehr nicht als Verschenkung, sondern als wechselseitige Erwerbung beabsichtigt ist; zweitens dass, da es als ein in einem Volke allgemein beliebtes bloßes Mittel des Handels, was an sich keinen Wert hat, im Gegensatz einer Sache, als Ware, gedacht wird, es alle Waren repräsentiert. […] Ein Scheffel Getreide hat den größten direkten Wert als Mittel zu menschlichen Bedürfnissen. Man kann damit Tiere füttern, die uns zur Nahrung, zur Bewegung und zur Arbeit an unserer statt dienen, und dann auch vermittelst desselben als Menschen vermehren und erhalten, welche nicht allein jene Naturprodukte immer wieder erzeugen, sondern auch durch Kunstprodukte allen unseren Bedürfnissen zu Hülfe kommen können; zur Verfertigung unserer Wohnung, Kleidung, ausgesuchtem Genusse und aller Gemächlichkeit überhaupt, welche die Güter der Industrie ausmachen. Der Wert des Geldes ist dagegen nur indirekt. Man kann es selbst nicht geniessen, oder als ein solches irgend wozu unmittelbar gebrauchen; aber doch ist es ein Mittel, was unter allen Sachen von der höchsten Brauchbarkeit ist. Hierauf lässt sich vorläufig eine Realdefinition des Geldes gründen: es ist das allgemeine Mittel, den Fleiß der Menschen gegeneinander zu verkehren, so: dass der Nationalreichtum, insofern er vermittelst des Geldes erworben worden, eigentlich nur die Summe des Fleißes ist, mit dem Menschen sich untereinander lohnen, und welcher durch das im Volk umlaufende Geld repräsentiert wird.“

S.33 „KARL MARX: Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mir die Gesellschaft, das mich mit der Natur und den Menschen verbindet, ist das Geld nicht das Band aller Bande? Kann es nicht alle Bande lösen und binden? Ist es nicht darum auch das allgemeine Scheidungsmittel? Es ist die wahre Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die chemische Kraft der Gesellschaft. Es ist die allgemeine Hure, der allgemeine Kuppler der Menschen und Völker.“

S.33 „Und hier stoßen auch wir auf den Kerne der Geldentwicklung, nämlich in der Ökonomisierung der menschlichen Sexualität. Das heißt, dass jede noch so primitive Gesellschaft sich durch organisierte Sexualverhältnisse auszeichnet, die durch Vorformen des Geldes reguliert werden. Ich meine die Organisation der Geschlechterverhältnisse in Heiratsklassen und –regeln, Eheformen etc. Damit im Zusammenhang steht die Entwicklung von Vorformen des Geldes – für den Brautkauf etwa -, die natürlich in primitiven Gesellschaftsformen entsprechend primitiv sind, wie Muscheln, Perlen, irgendwie verarbeitete Naturgegenstände mit symbolischem Wert. Aber immerhin: solange es gesellschaftlich organisierte Menschen gibt, gibt es auch so etwas wie Geld,, symbolische Gegenstände, die, in Ritualen verwendet, zwar dem Austausch, aber eben zunächst dem Austausch von Menschen selbst dienen, also das Verhältnis der Geschlechter zueinander regulieren und artikulieren.“ Clemens August Andrea: Mögliche Zusammenhänge zwischen…

S.76 „Der erste Konzeptkünstler dürfte jener Münzpräger in grauer Vorzeit gewesen sein, der auf ein Geldstück die Zahl 2 aufprägte, der zweite war dann Duchamp, als er 1913 seine Fahrradfelge durch Einbezug in den Kunstkontext zur Kunst erklärte. Ähnlich ging der internationale Währungsfonds vor bei der Demonetisierung des Goldes und der Schaffung der Sonderziehungsrechte als >Papiergold<.“

S.76 „Geld ist so alt wie die Menschheit. Welche Substanz jedoch die Geldfunktion trägt hat sich geändert. Wesentlich war, was zu Geld erklärt wurde und ob die Mitglieder der Geldgemeinschaft es geglaubt haben. >Geld ist, was gilt< (Günter Schmölders). Die Entwicklungsepochen des Geldgebrauchs reichen von magisch-mythisch bedingter Geldsubstanz über stoffwertbedingte zu funktionsbedingter.“ S.76 „So wie Staat und Handelsbrauch bestimmen was Geld ist, so die Kunstszene, was Kunst ist. Kunst ist, was gilt.“

S.76 „Konzeptkunst bemüht sich um die Nichtkonservierbarkeit: Christos >running fence< wird nach kurzer Existenz abgerissen. Auch Geld ist nicht konservierbar. Es kann entwertet werden.“

S.76 „Der ethnographische Erforscher des Karolinenarchipels, J.S. Kubary, meint: >Der Mensch als Tier aufgefaßt, hat hier genug zum Lebensunterhalt, will er aber eine Frau haben, Familie gründen, Mitglied eines Staates sein, so muß er Geld besitzen.< S.76 „Mein Vater, Wilhelm Andreae, hat daher das Geld zu Recht mit der Sprache verglichen und Adam Müller zitiert: >Geld ist eine allen Individuen der bürgerlichen Gesellschaft inhärierende Eigenschaft…

S.76 „Geld kann man heute nur durch Arbeiten erwerben. Und daher muß die kritische Frage an die Konzeptkunst gerichtet werden, ob für den Fall, dass der Gedanke des Künstlers geheim bleibt, dass Kommunikation verweigert wird und die Ausführung des Gedankens im Kunstwerk nicht nur unwichtig, sondern sogar unmöglich wird, das Publikum für diese Kunst noch zu zahlen bereit sein wird. Konzepte sind Angebote, deren entsprechende Nachfrage nicht erzwungen werden kann. Ebensowenig kann ausgeschlossen werden, dass Geld der Repudiation verfällt. Tröstlich ist freilich, dass bei wachsendem Wohlstand der Anteil des symbolischen und spielerischen Konsums am Sozialprodukt zunimmt.“ REPUDATION: Zurückweisung, Ablehnung, Verstoßung, Ableugnung, Ausschlagung, Nichtanerkennung. Gianni-Emilio Simonetti: Das Geld und der Tod.

S.102 „Wie die Banken unserem Geld vorangingen, so waren die Tempel älter als der Gott. Bank und Tempel waren das gleiche Gebäude. Vermutlich sollte anfangs der Tausch die natürliche Vergänglichkeit überwinden. Denn was ist in diesem Sinne die klassische Banktätigkeit gegenüber dem Tod? Ein babylonischer Trapezkünstler – Bankier und Priester zugleich – schafft und verwaltet jenen sozialen Zusammenhang, in welchem sich der Tauschwert generalisiert. Dieser Tauschwert ersetzt die Güter, die die Natur sterblich machte und nicht etwas der Gebrauch. Er kontrolliert die >Weihewürdigkeit< der Lagerbestände und damit wird die Unantastbarkeit des Heiligtums garantiert.“

S.102 „Vom Geld schreiten wir zurück zum Tausch, der schon in seiner primitivsten Form des Maßstab des Gebrauchswertes gewesen war – eines Wertes >an sich<, dazu mit einem Hinweis noch auf eine andere Wurzel versehen: nämlich die Notwendigkeit des Tauschwerts. Im Tausch vollzieht sich der Schritt vom Himmel zum Staat. Um seine Unsterblichkeit zu retten, wird Gott zum Menschen und angesichts ihrer Materialität die Bank zum Ort der Poltik. Entsprechend wird die Heilige Schrift mit der Entwicklung des Geldes in dem Maße perfektioniert, wie das geschriebene Dokument die Basis jeglicher Bankoperation wird. Mit anderen Worten: so entwickelt sich die Bank zur Handelsbank; ihre Funktionsfähigkeit wird ein Akt des Glaubens.“

S.103 „Das Geld hat den Menschen mit seiner Kaufkraft betrogen, aber obgleich es sich mit allen Widersprüchen, die die Arbeit einschließt, um eine >allgemeine und abstrakte Form handelt<, so konnten damit doch nie jene Triebkräfte der Verfügungsgewalt unterworfen werden, die als trennende und verbindende Kraft jeden gefangen nehmen, der sich ihnen nähert. Das Überleben liefert letzten Endes den Beweis für den Vereinigungswunsch des Menschen.“